Community-Porträt mit Jeremie

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Es gibt wohl kaum jemanden, der die Berner Magic-Szene so geprägt hat wie Jeremie. Der Level 3 Judge kam dank Magic schon viel um die Welt und hatte einige spannende Erfahrungen gemacht, von denen er hier in seinem Community-Porträt gerne berichtet.

Es gibt wohl kaum jemanden, der die Berner Magic-Szene so geprägt hat wie Jeremie. Der Level 3 Judge kam dank Magic schon viel um die Welt und hatte einige spannende Erfahrungen gemacht, von denen er hier in seinem Community-Porträt gerne berichtet.

 

Jeremie, du bist ja ziemlich unerwartet in die Welt des Magic gestolpert, oder besser gesagt gestolpert worden, und bist praktisch von Anfang an Judge gewesen. Wie kam es dazu?

Ich bin recht per Zufall in das Spiel eingestiegen. Ein Arbeitskollege von mir hat mir das Spiel gezeigt und wir haben angefangen, über den Mittag im Büro zu spielen. Ich habe dann angefangen, im AarebogeMagic (damals von 4 ganz coolen Typen aus dem Boden gestampft) und in einem Restaurant die Drachennäscht-Casual Friday (sie hatten damals noch keine eigene Spielfläche) zu besuchen. Mir fehlten aber Constructed Turniere und Prereleases (niemand wollte Prereleases machen, weil man nur Deutsche Produkte dafür kriegen konnte) und ich habe deshalb angefangen selber Events zu veranstalten, damit mein WPN Level (ja, damals konnte jeder WPN Status kriegen) hoch genug war, um Prereleases zu machen. Ich habe mit dem Stauffacher und danach mit der Zwergenschmiede zusammengearbeitet und war dort der Event-Verantwortliche (EV). In den Turnierregeln steht, dass der EV als Judge fungiert, wenn niemand sonst es macht. Ich habe dementsprechend angefangen, rulings zu geben. Die meisten erwiesen sich als völlig falsch und es war mir recht peinlich :D. Ich habe deshalb angefangen, die Comprehensive Rules zu lernen sowie alle anderen Dokumente, die ich über Turniere und Judgen finden konnte, damit solche Situationen nicht mehr so häufig auftreten würden… Ein L1 in Winterthur, die einzigen ausser Zürich, die Prereleases machten und mit viel weniger Sharks, hat mich gefragt, ob ich bei den Nationals vorbeikommen möchte, um „einen grossen Magic Turnier zu sehen“. Ich bin am Sonntag mal hin und sie gaben mir eine Judge-Shirt, „Damit ich es hautnah erleben kann“. Dann kam ein Fragenbogen, „damit sie sehen können, was ich kann und wo ich Mentoring brauchen werde“. Und plötzlich war ich Level 1 und wusste immer noch nicht, wie es dazu kam!

 

Was hat dich von Anfang an fasziniert an dem Spiel und fasziniert dich vielleicht bis heute?

Das Spiel ist sehr komplex und hat unendlich viele Möglichkeiten. Ich liebe es Magic zu spielen, zuzuschauen oder über Karten zu diskutieren. Ich bin immer noch sehr fasziniert davon, auch wenn ich nicht mehr so häufig spiele wie sonst. Ich muss sagen, dass das Judge-Programm es einem nicht einfach macht. Es gibt sehr viele Projekte, die für die Judge-Community sehr wichtig sind aber auch sehr viel Zeit kosten. Und meine Job-Karriere lässt mir nur eine begrenzte Zeit, um meinen Hobby zu folgen. Dementsprechend bin ich eher am Judgen als am Spielen.

 

Es hat sich in Bern ja das Klischee eingeschlichen, dass Judges nicht gut Magic spielen würden. Das ist ja mehr so ein Spruch und du spielst ja sogar ziemlich gut. War kompetitives Spielen nie ein Thema für dich?

Ich habe ein paar L3 Judges kennengelernt, die Pros waren und PTs gewonnen haben. Ich weiss auch, dass sehr viele Pros von Judges ‚mentored‘ werden, bis sie den vergleichbaren level eines L1 haben und manche machen sogar den Test. Die Regeln beherrschen kommt einem Kompetitiven Spieler zugute und wissen, was man machen darf und was nicht (was genau ist Hidden Card Error oder Decklist Problem?) ist für viele Pros genauso wichtig wie welches Meta momentan gespielt wird und wie man damit umgeht. Für mich gibt es zwei Arten von kompetitiven Spielern (ich weiss, es ist nicht Schwarz/Weiss, sondern eher ein Gradient, aber machen wir es einfach): Leute, die Gewinnen wollen, um zu zeigen wie geil sie sind und Leute, die gewinnen wollen um zu zeigen, dass sie das Meta/das Format/die Strategien verstanden haben. In beiden Kategorien findet man coole Leute. Aber die Erste hat auch solche, die um jeden Preis gewinnen wollen und gegen die man nicht unbedingt gerne spielt. Ich habe als Anfänger zweimal in Zürich bei einem FNM gespielt und habe jedesmal von den kompetitiven Spielern und Sharks einen schlechten Eindruck gehabt. In Bern waren die kompetitiven Spieler angenehmer. Aber ich war meistens der Veranstalter und durfte nicht am Turnier teilnehmen (auch Regular-Events waren verboten für Veranstalter und Judges). Als Judge hatte ich das Glück, relativ früh an GPs gehen zu dürfen und habe auch dort die „schlechte Seite“ der kompetitiven Szene erlebt. Den Drang zu gewinnen habe ich beim Spielen nie wirklich und Crazy Board-States waren mir lieber. Darum bin ich eher Casual geblieben.

 

Man sieht dich selten an einem Spieltisch. Bei welchen Gelegenheiten kommst du überhaupt dazu einmal selbst Magic zu spielen?

Ahh… Diese Frage höre ich viel zu oft. Es ist tatsächlich so, dass ich seit ich Level 3 geworden bin, viel Zeit ins Judge-Program investiere und wenig Zeit übrig habe um zu spielen. Ich spiele sehr gerne Legacy, Commander und kann ab und zu gerne ein Sealed oder Draft machen. Legacy ist im HoC leider nicht sehr verbreitet und in der Schmiede will ich nicht hin. Commander braucht einfach unheimlich viel Zeit. Aber ich probiere ab und zu einen Draft an GPs zu spielen oder beim Prerelease ein Sealed, wenn ich an diesem Wochenende Zeit habe.

 

Was sind deine bevorzugten Spielformate und warum?

Ich liebe Commander, weil man sehr coole Sachen machen kann, Karten spielen kann die sonst nicht wirklich zu sehen wären und eine super Zeit mit Freunde verbringen kann. Legacy habe ich relativ früh angefangen und ich liebe das format immer noch, auch wenn ich in letzter Zeit das Meta nicht mehr verfolge und auch nicht mehr gespielt habe.

 

Hast du ein Lieblingsdeck oder Lieblingsdeckarchetypen und wieso gerade diese?

Ich habe zwei: Mill und Reanimate. Ich finde beides interessant, weil sie sich Mechaniken des Spiels zunutze machen, die nicht Standard sind. Der eine sieht den Graveyard und das andere sieht das Deck als Ressource. 

 

Du hast wie man hört auch eine grosse Sammlung. Gibt es eine besondere Karte, an der du speziell hängst oder mit der du eine besondere Geschichte verbindest?

Ich habe eine Karte von Richard Garfield unterschrieben lassen an den Worlds in Rome; meine erste Pro Tour, damals war ich Level 1! Das erste und letzte Mal, als sie L1 auf dem Pro Tour Main Event zugelassen haben (ich war, glaube ich, nicht daran schuld). Ich habe auch ein paar Geschenke erhalten, die mir sehr nahe stehen und für meine L3-Prüfung haben alle L3s eine Judge Balance unterschrieben.

 

Du bist als Level 3 Judge sehr engagiert, auch International. Welche Events oder Locations wirst du nie mehr vergessen?

Es gibt glaube ich zu viele, um hier aufzuzählen! Es ist für mich schon „Judge the game, see the world“ und es gibt viel zu viele unvergessliche Momente mit Freunden. Hier nur ganz wenige:

  • Paris EuroDisney: Wir waren in EuroDisney! Es war mein erster GP (zwei Monate nach meiner L1 Prüfung) und wir konnten 1990 Player erreichen (was damals ein riesen Event bedeutete). Es war Zendikar und zwei Spieler fanden Moxen in ihren Boostern. Das erste Mal, dass ich Judges aus anderen Regionen kennenlernte. Es war ein super Erlebnis.
  • Worlds in Rome: Mein zweites Event. Erstes Mal auf dem Floor einer PT und erstes Mal komplett ins kalte Wasser geschmissen. Wotc hatte die Idee, am Mittwoch einen „Draft für 5€“ zu machen und wir hatten so viele Spieler, dass sie Rund um das Gebäude gingen! Ich hatte noch nie Drafts gejudged und musste bis zum Ende meiner Shift mehr als 30 verschiedene Drafts parallel monitoren und Resultate einsammeln. Ich war vor dem Main Event schon völlig erschöpft, aber jetzt finde ich es einen super Event :D.
  • GP Chiba für Modern Masters: 4000 Spieler, Japanisches Produkt, eine Hochzeit und ein Erdbeben. Muss ich mehr sagen?
  • GP Madrid Legacy: Wir hatten so viele Spieler, dass wir Tischnummern draussen hinstellen mussten und die Spieler mussten auf dem Boden spielen. Es war mehr als hektisch und es hatte ein paar Wochen gedauert, bis ich es toll fand. Aber ich bin (jetzt) froh darüber es nicht verpasst zu haben.

 

Du engagierst dich schon sehr lange auch in Bern und hast massgeblich dazu beigetragen, dass sich das Organized Play und die Community dahin entwickelt hat, wo sie heute ist. Gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?

Ich bin sehr stolz darauf, dass der name ‚AarebogeMagic‘ immernoch existiert. Die vier Urväter des Treffens sind zwar nicht mehr da (den einen oder anderen sieht man trotzdem ab und zu), aber ich habe dort mit den Turnieren angefangen und hatte einen sehr grossen Anteil daran, dass es so gross und populär geworden ist. Klar war ich nicht alleine und Joel/Domi haben die Fackel definitiv übernommen und weitergezogen. Aber ich bin immer noch stolz sagen zu können „ich hab das erste Turnier für’s Aareboge veranstaltet“ :-). Wenn ich zurückblicke wie es früher war und schaue wie viele verschiedene Turnierarten heute regelmässig veranstaltet werden, sowohl für Casual wie auch für Competitive-Spieler, bin ich überwältigt vom Engagement der Community. Ich war, glaube ich, nur der Zünder, den Bern gebraucht hatte. Den grössten Teil hat die Community selber gemacht und es haben sich immer wieder engagierte Leute gefunden, die in die Bresche gesprungen sind und mitgeholfen haben; oder wenn sie gesehen haben, dass etwas fehlt, es selber in die Hand genommen und es aufgebaut haben.

 

Was würdest du dir für die Zukunft der Berner Community wünschen? Und für Magic in der Schweiz?

Ich wünsche mir allgemein für die verschiedenen Communities in der Schweiz eine engere Zusammenarbeit. Nicht nur mit den Communities, sondern auch zwischen den Shops. Leider wollen die wenigsten Shops miteinander reden und noch weniger miteinander kooperieren. Ich glaube es ist utopisch zu denken, dass die verschiedenen Interessensgruppen (Casuals, Competitive, Fun Format-orientiert, etc.) sich unter einem Dach treffen können. Es wird immer verschiedene Communities geben. Nichtsdestotrotz wäre es schön, wenn wir in den verschiedenen Gruppen genügend Leute finden könnten, die ihre Vorlieben publizieren würden. Wir hatten auf swissmtg.ch eine Blog für Freiwillige und die Idee war, dass es dort für jeden etwas zu lesen gäbe (Turnierberichte, Formaterklärungen, Neuerungen etc.). Aber wir haben zu wenige Editoren gefunden und haben den Blog in den Hintergrund und die Events auf die erste Seite gestellt. Ich hoffe, MagicNuss hat da mehr Erfolg und kann diese Rolle übernehmen.

Autor

Magic Nuss ist passionierter Modern und Limited Spieler. Mit seinen Beiträgen versorgt er die Schweizer Magic Community mit den aktuellsten Themen und Geschehnissen rund um unser heiss geliebtes Sammelkartenspiel. Wenn die Magic Nuss gerade nicht in die Tasten haut, dann trifft man den Jund-Fanatiker auch hie und da in den Berner Ligen oder an internationalen Grand Prix. Magic Nuss legt grossen Wert auf Fairness im Spiel und in der Magic Community.

Autor: Magic Nuss

Magic Nuss ist passionierter Modern und Limited Spieler. Mit seinen Beiträgen versorgt er die Schweizer Magic Community mit den aktuellsten Themen und Geschehnissen rund um unser heiss geliebtes Sammelkartenspiel. Wenn die Magic Nuss gerade nicht in die Tasten haut, dann trifft man den Jund-Fanatiker auch hie und da in den Berner Ligen oder an internationalen Grand Prix. Magic Nuss legt grossen Wert auf Fairness im Spiel und in der Magic Community.